Unterstützung von oben erhält das Bartgeier-Projekt: Luftsportler wie Gleitschirmflieger sollen in Zukunft ihre
Begegnungen mit den Greifvögeln dem Landesbund für Vogelschutz melden.
Die Nationalpark-Verwaltung arbeitet seit über zwei Jahrzehnten mit dem Deutschen Hängegleiterverband (DHV) zusammen. “Dieser unterbreitete uns jetzt ein tolles Angebot”, teilt Toni Wegscheider, Kreisvorsitzender im Landesbund für Vogelschutz (LBV), mit. Der Dachverband aller “Luftsportarten” – Drachenflieger, Paragleiter – möchte seine Piloten sensibilisieren, dass im bayerischen Luftraum demnächst verstärkt mit Bartgeiern zu rechnen ist (wir berichteten).
Dazu wird der DHV Informationsmaterial entwerfen und an seine Piloten verteilen. “Darin soll ihnen gezeigt werden, wie ein Bartgeier vor allem im Flug aussieht, denn so werden sie ihn ja gegebenenfalls antreffen”, sagt Wegscheider.
Mit verstärktem Einflug von Wildgeiern rechnen
Die Gleitschirm- und Drachenflieger sollen Fotos machen und diese zusammen mit ihren Sichtungen und Erfahrungen dem LBV zukommen lassen. “Wir sammeln das Material und werten es aus”, sagt Toni Wegscheider. Seine Hoffnung: “Die ausgewilderten Bartgeier, die wir per GPS ohnehin verfolgen können, sollen Wildgeier anlocken, die Anschluss suchen. Das sind Geier, die nicht von uns ausgewildert wurden.” Durch das Projekt von LBV und Nationalpark Berchtesgaden sei mit verstärktem Einflug von Wildgeiern aus den Zentralalpen zu rechnen. “Diese Vögel wollen wir natürlich ebenfalls gern mit verfolgen.”
Menschen, die sich ohnehin in der Luft aufhalten, um ihrem Sport nachzugehen, könnten extrem hilfreich sein, weil sie unter anderem die gleiche Thermik wie die Bartgeier nutzen. Wegscheider: “Diese Kooperation mit dem DHV wollen wir in den nächsten Jahren ausbauen.” Die Sportler können so zur Datendichte über die seltenen Tiere beitragen. “Weil wir nicht nur bodengebundene Nachweise erbringen können, sondern damit auch aus der Luft unterstützt werden. Somit können wir den Bestand viel besser überblicken und im Auge behalten”, sagt Wegscheider.
Steinadler-Projekt läuft über 20 Jahre
“Seit über 20 Jahren läuft bereits eine ähnliche Zusammenarbeit, den Steinadler betreffend”, wie Ulrich Brendel, stellvertretender
Nationalpark-Leiter, versichert. “Und zwar im gesamten bayerischen Alpenraum.” Das Monitoring-Projekt der NationalparkVerwaltung, in dem die Populationsdynamik des Steinadlers in den Chiemgauer, Berchtesgadener und unmittelbar
angrenzenden Salzburger Alpen dokumentiert wird, erfuhr bereits mehrfach Auszeichnungen der UN-Dekade “Biologische Vielfalt.”
Der Deutsche Hängegleiter-Verband ist Teil der Kooperation zum Schutz von sensiblen Nest-Bereichen: “Wir melden Horste, die
Drachen- und Gleitschirmflieger halten freiwillig einen Abstand von 500 Metern. Somit können Störungen vermieden werden”,
sagt Ulrich Brendel. “Der Naturschützer liefert Daten und Informationen, der Natursportler kann darauf reagieren und die
Störung minimieren. Das ist im Grunde ein einfaches Prinzip, welches jedoch gar nicht so einfach umzusetzen ist. Weil es auf
beiden Seiten Hardliner gibt, die – zumindest früher – nicht bereit waren, von Liebgewonnenem abzuweichen. Diese Krusten
konnten wir zum Glück ein wenig aufbrechen, das System hat sich mittlerweile gut etabliert”, freut sich Brendel. Er ist glücklich,
das Projekt mit seinem Team nun auf den Bartgeier ausweiten zu können. “Ihre Horste zu schützen wird noch ein wenig Zeit in
Anspruch nehmen, aber wir sind vorbereitet.” Jede Meldung eines Vogels ohne Sender, von dessen Raumnutzung im bayerischen
Alpenraum nichts bekannt ist, sei fürs Projekt insgesamt wertvoll.
Online über Horste und Flugverbotszonen informieren
Ein enorm wichtiger Effekt ist die soziale Selbstkontrolle: “Unsere heimischen Piloten wissen Bescheid, weil sie sich online jederzeit über die aktuelle Lage der Horste und die entsprechenden Flugverbotszonen informieren können, sie kennen sich aus und halten sich an die Vereinbarungen”, schätzt LBV-Landkreis-Chef Toni Wegscheider die Hilfe der hiesigen Gleitschirm- und Drachenflieger, auswärtige Flug-Kollegen auf die Schutz-Vereinbarungen hinzuweisen. “Die Mundpropaganda erhält hier einen für uns wichtigen Stellenwert.” Ulrich Brendel ergänzt: “Schert doch mal einer aus, können wir ihn meistens ausfindig machen und auf sein Fehlverhalten hinweisen.”
Die heimischen Gleitschirm-Klubs “Albatros Bad Reihenhall” und “Berchtesgadener Gleitschirmflieger-Verein” informieren auf ihren Homepages stets aktuell über die Flugverbotszonen.